Warum es mir schwergefallen ist, gegen die GroKo zu stimmen, mir aber letztlich keine andere Möglichkeit blieb

Warum es mir schwergefallen ist, gegen die GroKo zu stimmen, mir aber letztlich keine andere Möglichkeit blieb:

Auch wenn ich mir von den Koalitionsverhandlungen eigentlich mindestens den Durchbruch bei einem der sozialdemokratischen Herzensthemen gewünscht hatte (z.B. deutliche Anhebung des Mindestlohns auf einen so hohen Betrag, daß damit jeder ArbeiterIn bei Renteneintritt mehr als Harz IV bekommt / Bürgerversicherung als Ablösung von GKV & PKV) war ich zwar ein wenig enttäuscht, aber insgesamt doch überzeugt, daß die SPD ein gutes, brauchbares und akzeptabeles Verhandlungsergebnis erreicht hat. Bis hierhin hätte ich beim Mitgliederentscheid sofort ohne zu zögern zugestimmt!

  • Aber dann kamen nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen die Meldungen, daß Martin Schulz Minister werden wollte und daß Andrea Nahles seine Nachfolgerin als Parteivorsitzende werden sollte, Und da stellten sich bei mir die Nackenhaare auf: Martin Schulz, der zigfach ausgeschlossen hatte, daß sich die SPD an der Regierung beteiligt und darüber hinaus, daß er Minister unter Angela Merkel wird, hat sich damit komplett unglaubwürdig gemacht. Und gottseidank hat man ihm das recht bald so eindrücklich klar gemacht, daß er seinen Verzicht auf ein Ministeramt erklärt hat. Uff!!
  • Aber die Art und Weise, wie der Parteivorsitz Andrea Nahles zugeschustert werden soll, ist ganz klar undemokratisch und zeugt davon, daß die Parteifunktionäre in der obersten Ebene tatsächlich so abgehoben und von der Erkenntnis notwendiger Reformen entfernt sind, wie das viele GenossInnen schon seit längerem behaupten. Die Erkenntnis darauf kann nur sein, daß eine GroKo eine nahtlose Fortsetzung der letzten 4 Jahre und damit eine Fortsetzung der Abwärtsspirale der Partei darstellen würde. Und Staatsräson hin oder her (von den GroKo Befürwortern wird ja immer wieder das Argument gebracht, das Schicksal des Staates geht vor das der Partei, was ich im Allgemeinen auch so sehe), für das Verhindern einer Neuwahl kann die Konsequenz ja nicht die Aufgabe der ältesten demokratischen Partei Deutschlands sein!
    Mir erschließt sich auch in keinster Weise, wieso Martin Schulz so überstürzt abtreten mußte. Er war nach alleḿ Anschein „im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte“ und auch sonst nicht so krank, daß er seine Aufgabe nicht mehr ausüben konnte. Wieso konnte er dann nicht erst zum nächstmöglichen Zeitpunkt zurücktreten? Wer eine solche Position und damit Verantwortung übernimmt, sollte sich dessen bewußt sein und dieser Verantwortung gerecht werden.
    Abgesehen davon nochmal zu dem Versuch, Andrea Nahles direkt zur – wenn auch nur kommissarischen – Parteivorsitzenden zu ernennen: Hier muß ich ganz stark entweder das Wissen über Vereinsregularien im Allgemeinen und die Parteistatuten im Speziellen anzweifeln oder man muß annehmen, daß diese hier bewußt ignoriert werden sollten. Aus welchem Grund werden wohl Stellvertreter gewählt, wenn sie nicht die Funktion des/der Vorsitzende/n übernehmen sollen, wenn diese/r ausfällt oder zurücktritt? Damit muß ich die korrekte Auffassung sämtlicher stellvertretender Parteivorsitzenden über ihre Funktion bezweifeln. Immerhin scheint der Unmut der Parteibasis und der Allgemeinheit hier schnell für ein Umdenken gesorgt zu haben. Der Frust über die Selbstherrlichkeit der Parteiführung bleibt allerdings!
  • Zu den mehr als zweifelhaften Umständen, wie Andrea Nahles zur Parteivorsitzenden gemacht werden soll, kommt aber auch noch hinzu:
    • Ein Umstand, der Andrea Nahles persönlich anzulasten ist: Wie kann unsere stolze, alte demokratische Partei jemanden als Parteivorsitzende erwählen, die sich nach der letzten Bundestagswahl mit dem Ausspruch „Ab morgen kriegen sie in die Fresse“ auf das sprachliche Niveau der AFD begeben hat?
    • Und ein Umstand, der ihr nicht vorzuwerfen ist, aber dennoch berücksichtigt werden sollte:
      Der Wähler entscheidet zu einem nicht unwesentlichen Anteil bei jeder Wahl auch nach dem Sympathiefaktor der Spitzenkandidaten. Und Andrea Nahles Sympathiefaktor in der Bevölkerung liegt vermutlich nur knapp über dem von Ralf Stegner. Hier handelt sich die SPD also wissentlich und willentlich noch einen völlig überflüssigen zusätzlichen Malus ein!

Das alles zusammen hat mich überzeugt, daß mir keine andere Möglichkeit als mit Nein zu stimmen bleibt, um meine Ablehnung dieses ganzen Gebarens deutlich zu machen. Und diese Entscheidung habe ich mir wirklich nicht leicht gemacht und ich habe sie bis zur ziemlich letzten Sekunde hinausgezögert.

Übrigens scheine ich mit dieser Haltung und Entscheidung in meinem Ortsverein nicht alleine zu sein: Bei der gestrigen JHV haben sich noch einige weitere Genossinnen und Genossen ähnlich geäußert und bekannt, daß auch sie mit Nein gestimmt haben.

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